Es geht weiter mit unserer Serie: Frau Dr. Veronika Klein ist praktizierende Fachtierärztin für Pferde, Chiropraktikerin und Trainerin. Dazu hat sie Fortbildungen im Bereich Pferdephysiotherapie und Akupunktur absolviert. Medial wurde sie bekannt durch ihren Podcast "Kernkompetenz Pferd", mit dem sie sich das Ziel gesetzt hat, Pferden eine bessere Lebensqualität zu schaffen. Wissen an Pferdemenschen weiterzugeben ist ihr eine Herzensangelegenheit.

Im zweiten Teil des Interviews mit Equine 74 erzählt sie, wie sie Magengeschwüre behandelt und warum Magengeschwüre immer wieder auftreten können.  

Dich interessieren nur einzelne Fragen, dann klicke direkt hier und erhalte deine Antwort: 

• Wie werden Magengeschwüre behandelt?
• Wieso entstehen so häufig Geschwüre an der Margo Plicatus?
• Wieso haben so viele Pferde mit Magengeschwüren einen Rückfall?
• Hat das Wetter einen Einfluss auf den Magen?
• Hat die Behandlung mit Medikamenten Nebenwirkungen?

Wie werden Magengeschwüre behandelt?

Dr. Veronika Klein: "Um einen sinnvollen Behandlungsweg zu wählen, muss ich erst einmal das Magengeschwür mithilfe einer Gastroskopie klar diagnostizieren. Es gibt Magengeschwüre im vorderen Bereich, wo wir kutane Schleimhaut haben. Hier sitzen keine Drüsen und es wird keine Säure produziert. Und wir haben Magengeschwüre im hinteren Teil, der Drüsen enthält, welche Säure produzieren. Je nachdem, wo wir das Magengeschwür haben sehen die Auslöser, die Prognose und die Therapie anders aus."

Mein Behandlungsweg umfasst ein Gesundheitskonzept, bestehend aus: 

• Haltungsoptimierung
• Futterration berechnen
• Training anpassen
• Sattel und Equipment checken lassen 
• Herdenzusammenstellung optimieren
• Vorsorgeplan erstellen
• Entwurmung im Blick behalten 

Zusammengefasst: Eine gesunde Lebensführung ist das A und O. Es geht nicht darum, das Pferd in Watte zu packen, sondern entsprechend artgerecht zu behandeln." 

Wieso entstehen so häufig Magengeschwüre an der Margo Plicatus (Grenzlinie zwischen den Schleimhäuten)?

Dr. Veronika Klein: "Das sind Geschwüre, die im vorderen Bereich entstehen. Sie entstehen als Folge von zu viel Säure. Im Magen haben wir drei unterschiedliche Säurequellen: Wie haben die Magensäure, flüchtige Fettsäuren oder Milchsäure, die durch Mikroorganismen beim Verstoffwechseln von Futter entstehen und Gallensäure, die aus dem Dünndarm in den Magen zurücklaufen kann. Neben der Menge der Säuren, hat auch die Zeit einen Einfluss. Wie lange ist die Säure im drüsenlosen Teil des Magens und wie viel ist vorhanden? Auch die Gangart hat hier Einfluss: Im Galopp schwappt die Magensäure durch den Druck nach oben und kann die Schleimhaut des oberen Teils reizen."

Wieso haben so viele Pferde mit Magengeschwüren einen Rückfall?

Dr. Veronika Klein: „Die Definition von Wahnsinn: Das Gleiche immer und immer wieder tun und ein anderes Ergebnis erwarten”, das hat schon Albert Einstein gesagt. Das ist auch hier der Fall. Wer nach der Behandlung eines Magengeschwürs nichts an der Haltung, Fütterung und dem Training verändert, sondern wie gewohnt weiter macht, riskiert einen Rückfall. Das ist dieses "Symptome behandeln", was ich als Tierarzt sehr unbefriedigend finde. Ich lösche einen Brand, aber ich behandle die Ursache nicht. Wenn ich, als Besitzer, aber die Ursache nicht abstelle, wie z.B. einen ungeliebten Boxennachbarn, dann wird das Pferd immer wieder Schleimhautreizungen bekommen."

"Man weißt das alles, die Umsetzung ist aber sehr schwierig und Veränderungen gehen meist nicht von Heute auf Morgen. Es muss nicht immer an den Besitzern liegen. Ein Stall gibt z.B. eine Veränderung der Haltung nicht her, es gibt keine alternativen Ställe in der Umgebung, ein neuer Trainer ist schwer zu finden, vielleicht passt auch die Pferd-Reiterkonstellation nicht. Ich glaube jeder Reiter, der schonmal ein Magenpferd hatte, ist deutlich sensibilisiert für dieses Thema und es lohnt sich trotzdem jeden Tag ein klein bisschen besser für sein Pferd zu werden - das ist auch mein Kredo."

Rückfälle treten scheinbar vermehrt im Winter auf. Hat das Wetter einen Einfluss?

Dr. Veronika Klein: "Es gibt keinen wissenschaftlichen Zusammenhang vom Wetter und Magengeschwüren. Was ich mir aber vorstellen kann ist, dass sich die Haltung für viele Pferde im Winter verändert. Kleinere Ausläufe, weniger Bewegung, viele Pferde auf engem Raum, volle Reithallen, gestresste Reiter - das sind Faktoren, die den Winter unattraktiver machen. Daher können Pferde im Winter anfälliger für Stress und demzufolge auch für Magenschleimhautreizungen sein. Das hat schlussendlich aber nichts mit dem Wetter zu tun, sondern mit der Haltung und den Umständen. Es bleiben die selben Stellschrauben, die auch im Sommer zu optimieren sind, sie werden im Winter nur schwieriger. Außerdem kann kaltes Wasser oder zu heißes Mash unangenehm für Pferde mit Magenschmerzen sein."

Hat die Behandlung des Pferdemagens mit Medikamenten Nebenwirkungen?

Dr. Veronika Klein: "Die Magensäure zu hemmen, verursacht immer auch Nebenwirkungen. Der Körper hat sich schon etwas dabei gedacht, dass der Magen sauer ist. Einige Verdauungsenzyme können nur dann funktionieren. Magensäure hat mehrer Funktionen, sie spielt eine Rolle bei der Proteinverdauung und hat eine desinfizierende Wirkung. Hebe ich den pH-Wert des Magens an, werden Bakterien nicht abgetötet, was eine Fehlbesiedelung des Darms (Dysbiose) zur Folge haben kann. Auch krankmachende Bakterien können so in den Körper gelangen. Die Folge:  Infektionserkrankungen, wie z.B. Durchfall, Fieber oder Kotwasser können auftreten."

"Aus der Humanmedizin weiß man, dass die Hemmung von der Magensäureproduktion die Absorption von Mineralstoffen und Spurenelementen beeinflusst. Bei einer dauerhaften Gabe, kann der Magnesium- und Calciumhaushalt durcheinander gebracht werden. Beide Mineralien sind relevant für z.B. die Knochenstabilität. Hier können demzufolge Schäden entstehen."

"Ebenfalls zu bedenken ist, dass der Wirkstoff Omeprazol die Belegzelle in ihrer Funktion hemmt, Salzsäure zu produzieren - was er im Krankheitsfall ja auch soll. Neben der Produktion von Magensäure ist die Belegzelle auch verantwortlich für die Freisetzung eines Stoffes, der für die Resorption von Vitamin B12 zuständig ist. Beim Menschen ist bekannt, dass ein langfristiger Mangel an Vitamin B12 beispielsweise Zittern zur Folge hat. Es ist also wichtig zu verinnerlichen, dass jedes Medikament und jeder Wirkstoff Nebenwirkungen hat. Ob das Kräuter oder Medikamente sind, ist vorerst egal." 

"Wenn ich eine klare Diagnose habe, macht die Gabe vom omeprazolhaltigen Präparaten bei Magengeschwüren absolut Sinn. Bei Magengeschwüren im hinteren Bereich bedarf es einem komplexeren Therapieansatz. Hier ist die Prognose deutlich schlechter, da nicht genau klar ist, wieso sie entstehen. Die Ursache wird hier nicht allein die Säure sein, da die Zellen im drüselhaltigen Teil immer Säure produzieren, sodass der Magen es gewöhnt ist."

In unserem dritten Teil der Serien haben wir von Frau Dr. Veronika Klein noch viele spannende Antworten zum Thema Prophylaxe und den Einfluss von Medikamenten auf die Entstehung von Geschwüren bekommen. Sei gespannt!

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